zweite Etappe – Teil 3/3

19 Dez. Anne Hut to Boyle Flat Hut – 16km – 6 Studen (genau der Vorgabe entsprechend). Wetter: abwechselnd Regen und Sonne, begleitet von heftigen Sturmböen.
Nachts hat es orkanartig gestürmt. Ich denke den jungen Franzosen aus Lyon, der konsequent im Zelt übernachtet, weil er das Geld für den Hüttenpass sparen will. Obwohl er eher schmächtig wirkt, muss er topfit sein: er ist an einem Tag über den Waiau Pass bis zur Anne Hütte gewandert – 42 km (sehe ich am Hüttenbuch). Er hat also an einem Tag das geschafft, was mich an zwei Tagen zur Erschöpfung gebracht hat.
Habe schlecht geschlafen. Irgend welche Biester (Sandflies?) haben meine Waden zerstochen und es beisst höllisch.
Ich verlasse die Anne Hütte als letzter. Zu meinem Erschrecken sind meine Wanderschuhe immer noch triefend nass. Niemand hatte gestern Feuer gemacht und die Wärme der Hütte reichte nicht aus, um sie über die Nacht zu trocknen. Trotz drei paar (trockenen) Socken fühlt sich das gehen nass und kalt an. So wandere ich die 16 km mit pflotschnassen Schuhen. Weiss gar nicht, warum ich den Bächen und Sümpfen noch ausweiche – wahrscheinlich aus Gewohnheit. Aber es käme wirklich nicht mehr darauf an. Schon um drei bin ich an der Boyle Flat Hut, und bin froh nicht noch die 14 km bis Boyle Village laufen zu müssen. Meine 6 TA-Begleiter von der Blue Lake Hütte sind längst weitergezogen – es scheint, unter den TA-Wanderer bin ich mit Abstand der unfiteste. In der Boyle Flat Hut sind 10 Leute, darunter aber keine TA-Wanderer. Die Kartenspieler darunter sind dagegen, dass ich Feuer mache (es sei warm genug und man könne wegen der Sandflies nicht lüften – so ein Quatsch, es hat sehr wohl ein Fenster mit Fliegengitter). Überhaupt sind mir die Leite hier nicht sympathisch – jetzt umso mehr, weil sie kein Verständnis für mein Hauptleiden (sprich nasse Schuhe) haben.

20 Dez. Boyle Flat Hut to Boyle Village. 14 km, 4,5 Stunden (der Vorgabe entsprechend).
Ein Handy klingelt und hört nicht auf. Es nervt so sehr, dass ich in fremde Taschen greife und es ausschalte. Aber es klingelt weiter. Das geht ein Weilchen so bis ich aufwache. Das Klingeln stammt von Vögel, die zwischen Morgendämmerung und Sonnenaufgang ihren Dreiklang üben. So ein Vogelgesang habe ich noch nie gehört. Draussen ist es frostig, aber strahlendblauer Himmel. Für einmal bin ich nicht der letzte, der die Hütte verlässt. Die Kalifornierin (auch eine, die immer im Zelt schläft) ist Langschläferin. Ihr Kiwi – Begleiter nervt sich schon. Schuhe sind natürlich immer noch nass, aber noch schlimmer sind die Sandfly-bites (die ich mir offenbar am Lagerfeuer mit den zwei Jägern vor zwei Tagen geholt habe), die höllisch Jucken. Die Wanderung durch das liebliche Boyle-Tal bei diesem Wetter ist trotzdem herrlich. Zum ersten Mal überhaupt überhole ich jemanden: Die Brendon-Familie aus Christchurc (Tochter 15, Sohn 13), die eine halbe Stunde vor mir aufgebrochen ist, habe ich schon nach einer Stunde eingeholt. Diese Familie wird später mein Glücksfall: in Boyle Village, meinem heutigen Ziel, wo es nichts gibt als einem Outdoor Education Center, stehe ich 1,5 Stunden an der Strasse mit dem Daumen draussen. 150 Autos habe ich gezählt, keiner hat angehalten (dafür sind am heissen Strassenrand meine Schuhe trocken geworden!). Dann kommt die Brendon-Familie an – und siehe da, sie haben ihr Auto hier parkiert! Sie laden mich ein, mit nach Hanmer Springs zu fahren, was auch ihr Ziel ist.
Der andere junge Tramper, mit dem ich anderthalb Stunden an der Strasse stand, steht wohl jetzt noch dort. Ich hab dir Brendon’s nämlich nur gesehen, weil ich Wasser holen ging.

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Diesen letzten Tagesbericht schreibe ich bei einem Bier in Hanmer Springs, einem angenehmen Touristenort mit heissen Quellen. Am Tisch nebenan sitzen die unsympathischen Kartenspieler von der Boyle Flat Hütte, die mich kein Feuer machen liessen. Warum ausgerechnet die? Habe hier in Hanmer Springs drei Nächte gebucht. Ich brauch Erholung von den Strapazen und muss meine diversen Blessuren kurieren. Noch nie hatte ich mich so auf eine Apotheke gefreut: das Sandflybissantijuckmittel wirkte sofort. Endlich duschen, richtiges Essen, Handyempfang, lesen was auf der Welt passiert ist … Der Te Araora kann warten.
PS: kaum hatte ich diesen letzten Satz geschrieben gab’s ein Erdbeben. Ich fast in Panik – aber die Leute um mich herum blieben völlig cool.

 

 

Ein Kommentar zu „zweite Etappe – Teil 3/3

  1. Also dieser Teil des Berichtes beschreibt die Vielfalt dieser Wanderung.

    Zum ersten scheint das Wetter sehr variabel zu sein, und die Erfahrungen mit den nassen Schuhen vom Sommer (erinnerst Du Dich) ist ein wiederholendes Thema. Du scheinst einfach Deinen Füssen ein feuchtes Klima zu gönnen

    Dass die Begegnungen von anderen Wanderkollegen nicht nur Freude bereiten, kann ich mir gut vorstellen. Aber es scheinen genug Leute unterwegs zu sein, dass die Interaktionen im Schnitt nur positiv sind

    Über die Fitness von Dir und anderen zu hadern ist eigentlich sinnlos, Du muss selber laufen und zu Deinem Tempo finden. Alles was Du machst ist wichtig, die anderen laufen auch ihr Tempo.

    Du hast DIr viel vorgenommen und dieser Plan ist Dein Problem wegen der Leistung. Ich finde, dass Du solche Strapazen überhaupt auf Dich nimmst, bewundernswert und wünsche Dir maximale Befriedigung.

    Am Schluss kannst Du auf Dich stolz sein und es wird wie im Militärdienst sein, nur die guten Erinnerungen bleiben

    Schön, dass Du Dir auch etwas schaust und Erholungspausen geniessen kannst

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