Dritte Etappe: Windy Point bis zur Hauptstrasse SH74. 80 km in 5 Tagen

Mit meinem neuen Tagesziel von 15-20 km (statt ursprünglich geplanten 20-25) wandert es sich ziemlich angenehmer.

23 Dez  Windy Point bis Hope Kiwi Lodge  16 km, 5,5 Stunden durch Wald, Wiesen und Sümpfe

Der Transport zurück zum TA klappt wie am Schnürchen. Windy Point liegt 10 km südlich von Boyle Village. Diese 10 km Strasse habe ich durch meinen Abstecher nach Hanmer Springs geschickt umgangen. Die Wetterprognosen waren ganz schlecht, aber ich hatte Glück: erst kurz vor der Hope Kiwi Lodge fing der Regen richtig an. Unterwegs treffe ich auf drei vollbepackte Kiwis. Trecking-Anfänger, dachte ich zuerst. Aber es stellte sich heraus, dass sie eine ganze Schlauchbootausrüstung mitschleppen, inkl Helme und so. Sie wollen zum Lake Sumner und dann Hurunui River runter. Ziemlich abenteuerlich – bei solchen Stomschnellen. Aber so sind sie, die Kiwis. Später kamen dann noch zwei junge Nürnberger (Fred und Chris) in der Hütte an. Sie wussten schon, wer ich bin, wegen der Einträge in den Hüttenbüchern. Seit Beginn verfolgen sie mich, und nur wegen meinen Ruhetagen in Hanmer Springs haben sie mich endlich eingeholt. Ihre Pläne sind erstaunlich deckungsgleich mit meinen; auch sie wollen die gefährliche Fluss-Etappen auslassen,auch sie wollen bis Ende Jan in Queenstown sein.

24 Dez. Hope Kiwi Lodge bis Hurunui Hut  19 Km, 6 Stunden (plus viele Pausen)

Für einmal verlasse ich als erster die Hütte. Ein wunderschöner Tag, blauer Himmel, kaum Sandflies. Am einsamen, fotogenen Sumner Lake vorbei. Ausser den zwei Nürnberger und mir ist niemand auf diesem Pfad. Ist ja auch heilig Abend. Wir haben die Hurunui Hütte für uns.

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25 Dez. Hurunui Hut to Hurunui Nr 3 Hut. 10 km, 4 Stunden.


Warum nur 10 km heute? So geplant, weil auf dem Abschnitt einer der Höhepunkte des TA liegt: ein natürlicher hot Pool.

 

Die zwei Nürnberger sind schon wieder am anziehen als ich dort ankomme. Sie geben mir noch ein paar Tipps wegen den Sandflies. Hut auf, alles bereit zum schnell abtrocknen. Ein Schild want davor, den Kopf unter Wasser zu tauchen. Nach 20 Min bin auch ich wieder draussen, und schon um halb eins bin ich an der Hurunui Hut Nr 3. die zwei Nürnberger sind schon wieder am aufbrechen, sie wollen das gute Wetter nutzen und weiterziehen. Die nächste richtige Hütte ist allerdings 6 Stunden von hier. Vielleicht gehen sie aber auch nur nie zu einer der zwei kleinen Notfallhütten (Cameron’s, 1h oder Harper Pass Bivouac 3h). Ich entscheide mich zu bleiben, fühle mich nicht so gut (Halsweh; vermutlich haben die vielen Sandflystiche mein Immunstem geschwächt). Werde den Rest von Weihnachten wohl alleine verbringen. Die letzten, die hier übernachtet hatten waren Rainer und Mechthild (das super fitte Paar aus Österreich) vor 4 Tagen. Verbringe also den Rest des Tages mit Zeitung lesen und Sudokus.

26 Dez. Hurunui Nr 3 Hut to Locke Stream Hut, 15 km, 7 Stunden.

Über den Harper Pass 962 m (harmlos). Begegne keinem Menschen. Der Weg ist nicht immer markiert, im Zweifel dem Flussbett folgen. Die tote Kuh im Bach (gemäss Stef’s Blog) liegt immer noch da, inzwischen aber nur noch als Skelett. Sollte ich vielleicht trotzdem das Wasser filtern? Bloss wegen dieser blöden Kuh? Das Wasser in den Bächen ist sonst beste Trinkwasserqualität.


Schon im 4 bin ich an der Locke Stream Hut. Eine schon ältere Hütte, schon etwas muffig. Und Ratten soll es hier geben. Ausserdem kein Wassertank; das Wasser muss man am Fluss holen. Bis zur nächste Hütte wären es aber noch 9 km, das ist mir zu weit. Fabi und Chris (Die Nürnberger) waren gestern da. Also auch die schaffen in einem Tag was ich an zwei mache. Nur mit Mühe bringe ich ein Feuer zusammen. Da läuft man den ganzen Tag durch Tonnen totes Holz, nur in der Nähe der Hütte hat es dann keines.


Später kommen noch zwei Girls aus Christchurch von der andere Richting (northbound), die verziehen sich aber in den anderen Schlafraum und sind nicht sehr gesprächig. Um halb acht schlafen die schon.

27 Dez. Locke Stream Hut zur SH74 und per Autostopp nach Christchurch. 20 km, 7 Stunden.


Es nieselt. Das hohe Gras ist nass, so dass meine inzwischen sehr saugfähigen Wanderschuhe innert kurzer Zeit voll durchtränkt sind. Zwei Flussüberquerungen geben dann noch den Rest. Schon nach 3 Stunden bin ich an der Kiwi Hütte, wo ich frische Socken anziehe und mir ein Mittagessen koche. In der Zeit fängt es richtig an zu regnen… gar nicht gut, denn ich weiss, dass vor mir Flussüberquerungen liegen, die bei starkem Regen nicht passierbar sind.
Ich ziehe zum ersten Mal meine Regenhose an und marschiere nach einer Stunde bei Vollregen weiter. Die Kuherde, an der ich vor der Pause vorbei zog, ist plötzlich hinter mir – getrieben von einem Farmer auf Pferd. Diese Kuherde wird mich den Rest des Tages begleiten, einmal vor mir, dann wieder hinter mir. Das ist gut so, denn der Weg ist schlecht bis gar nicht markiert, führt meist über Geröll dem Fluss entlang. Die Kühe weisen mir manchmal den Weg – und wo eine Kuherde einen Fluss überquert werde ich wohl auch drüber kommen. Die erste richtige Challenge war der Otehake River, ein Seitenarm des Taramakau Rivers. Schuhe ausziehen wäre illusorisch – hemmungslos stolpere ich durch den reissenden Fluss, das Wasser steht mir bis zum Arsch. Interessant: unter der Regenhose bleibt die Hose trocken! Da es der letzte Tag dieser Etappe ist (auf die Verlängerung über den Goat Pass verzichte ich in Anbetracht des Wetters gerne), kann es ja egal sein, wie nass ich bin. So können mir die vielen Bäche und Seitenflüsse egal sein. Der schlimmste Seitenfluss steht aber kurz vor dem Ziel, der Schnellstrasse SH 74 bevor: der Otira River. Ich weiss nicht, was ich ohne Kuhherde gemacht hätte! Der Fluss sah unpassierbar aus – aber wenn sogar ein Kälbchen drüber kommt …
Triefend vor Nässe stand ich also an der SH 74, an welcher praktisch kein Verkehr war. Aber keine 5 Minuten vergingen, schon das dritte Auto hielt an. Die 2 Stunden im Auto mit Brandon waren sehr unterhaltsam und führten durch atemberaubende Landschaften. Nach 20 km auf dem Arthur’s Pass machten wir Kaffeepause – ich immer noch mit quietschend nassen Schuhen. Dahinter dann strahlend blauer Himmel. Warum bloss führt der Te Araora entlang der Regenseite der Berge?

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5 Kommentare zu „Dritte Etappe: Windy Point bis zur Hauptstrasse SH74. 80 km in 5 Tagen

  1. Lieber Martin, wie heldenhaft – unermüdlich durch den Regen, danke für die wunderschönen Fotos – während ich hier im Trockenen sitze, selber gemachten sauren Most & Weihnachts-Guuzle geniessend. Alles gute weiterhin Hildegard

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  2. Hallo Martin
    Was für eine spezielle Art Weihnachten zu feiern, da kommt einfach keine richtige Stimmung auf. Wir hoffen, dass Du es wenigstens ein bisschen genossen hast, Du hast ja genau diese Situation gesucht.

    Obschon, das mit Deinen saugfähigen Wanderschuhen eine etwas zwiespältige Bemerkung ist, da wir wissen, dass Du trockene Füsse über alles liebst und es sicher in ganz Neuseeland nie so viele trockene Socken gibt wie es bräuchte.

    Die latente Erkältung auf die Sandflies zu münzen, ist eine nette Art von den nassen Schuhen abzulenken. Diese Bieser sind sicher lästig und deren tägliche Präsenz muss nervenzermürbend sein. Hattest Du dies vorher eigentlich gewusst?

    Dass Du Dein Tagespensum reduzierst ist sehr gut, das vemindert den Druck auf die Einhaltung eines unrealistischen Planes und entspricht den Einschätzungen eines Infanterie-Majors im Generalstab der Schweizer Armee. Wir haben Deinen Plan und die Stecke ausführlich am Weihnachtsessen in der Familie diskutiert. Alle zollen Dir höchsten Respekt, so etwas anzugehen und erst noch alleine – obschon es auch Stimmen gibt, welche dies als Spinnerei auslegen.

    Wir haben aber keine Wetten abgeschlossen sondern freuen uns für Dich, wenn Deine Pläne aufgehen und Du wieder zurückkommst.

    Eine Beobachtung, wo ich mir meine Gedanken dazu mache, ist das relative geringe Mass an Kameradschaft unter den Wanderern. Man hat nicht das Gefühl, dass hier viele Gleichgesinnte unterwegs sind, welche die jeweiligen Zusammentreffen an den Übernachtungsorten zum Aufbau von Beziehungen und Austausch von Erfahrungen zu nutzen scheinen.
    Von ähnlichen Trails wie dem Camino de Santiago habe ich schon andere Erlebnisse und Gefühle gehört

    Dass jeder für sich wandert ist schon klar, da ja auch jeder die Strecke selber bewältigen muss, aber Menschen wie Dich kennenzulernen, die solche Projekte wagen, wäre ein nicht uninteressanter Anfangspunkt für Interviews

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    1. Danke, Kurt; mit der Kameradschaft hast du absolut recht. Ich bin halt einfach zu langsam unterwegs, als dass ich mit den anderen mehrere Tage mithalten kann. Aber mit meiner ‚Abkürzung‘ über Christchurch habe ich alle anderen überholt. Wenn sie mich wieder einholen, wird die Freude gross sein.

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  3. Lieber Martin,
    Hut ab – während wir hier in Marokko (endlich mit Sonne und blauem Himmel) bequem im MANi herumreisen, nimmst Du diese gewaltige Herausforderung jeden Tag von neuem an!
    Wir lesen und latschen in Gedanken – auf dem Campingstuhl oder luftgefederten Sitz – mit Dir mit. Danke für Deinen Blog!

    Gruss und weiterhin die besten Wünsche für trockene Schuhe und Socken wie auch für ein unerschöpflicher Vorrat an „Insect Repellent“.

    Tschau und mach’s gut und ein guter Rutsch ins 2017 und wir hoffen, dass Du findest, wast Du suchst.

    Werner, Pia und Arcas

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  4. Martin, wir wussten schon immer, dass Kühe was ganz nützliches sind… !! die Flussüberquerungen sind gar nicht gut, wie kalt (oder warm) ist eigentlich das Wasser? Währenddem Du unter Nässe und Sandfliegen leidest, haben wir Weihnachten mit Glühwein und Chräbeli (selbst gebacken, sowas gibt es ja nicht in Schottland) genossen, bei 60 bis 90 km Sturmgeschwindigkeit. Deine Weihnacht war superschön, schöner Tag, Fotos sind herrlich. Allein, in einer Hütte, mit Zeitung lesen und Sudoku, ein Traum. Absoluter Traum. Leider kann man mit Internet Zeitung keine nassen Schuhe stopfen. Weiss nicht, wann Du das liest, wir beide wünschen Dir ein glückliches Neues Jahr.

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