Zweite Etappe: 115 km von St Arnaud nach Boyle Village – Teil 1 / 3

14 Dez – St Arnaud to Lakehead Hut. 10 km, 3,5 Stunden (Vorgabe 3 Stunden. Zeit verloren wegen fehlender Wegmarkierung bei zwei Landslides).
Den ganzen Morgen meinen ersten Blog geschrieben und herausgefunden, wie man Fotos hochlädt. Alles was ich unterwegs schon geschrieben hatte war weg, weil ich zu dumm zum speichern war.
Musste mich am Nachmittag entscheiden ob ich eine Nacht in St Arnaud bleibe und morgen um halb elf mit dem Boot an das Ende des Sees fahre (fährt höchstens einmal pro Tag)  oder heute Nachmittag bis zur Lakehead Hütte am Ende des Sees laufe. Habe mich für das zweite entschieden, mit der Vorfreude auf eine einsame leere Hütte. War wohl ein Fehler; die Hütte war rammelvoll mit einer Gruppe Teenies. So schlafe ich halt in meine Zelt. Kaum war ich fertig mit kochen und essen und mich ins Zelt verkrochen hatte, fing es an zu regnen.

15 Dez – Lakehead Hut to Upper Travers Hut. 18 km, 700m höher. 8 Stunden (entsprechend der Vorgabe).
Kaum geschlafen, der Regen prasselte die ganze Nacht aufs Zelt und nebenan gurgelte eine Quelle. Die Teenies zogen um neun Uhr los, kurz danach hörte der Regen endlich auf. Um 11 war ich startklar. Erste Zwangspause war schon nach 5 Min, weil der Bach vom vielen Regen wadentief Wasser führte. Also Schuhe aus und nach dem Bach wieder an (das war nur ein Vorgeschmack von dem, was an den nächsten Tagen noch kommen sollte). Danach lief es aber bestens und schon nach 4,5 Stunden (bei einer Vorgabe von 5h) erreichte ich die John Tait Hütte – gerade rechtzeitig bevor der Regen wieder einsetzte. Zuerst war ich alleine; als ich nach einer anderthalbstündigen Pause weiterzog waren bereits 8 Personen da. Alle wollten hier übernachten, ausser einem Paar aus Österreich (Rainer und Mechthild, beide nur wenig jünger als ich) , die wie ich bis zur Upper Travers Hütte wollten, d.h. nochmal 3,5 Stunden bergauf. Unterwegs fing es an zu hageln, dann regnen und vor der Hütte geht es durch einen tiefen Sumpf. So erreichte ich die Upper Travers Hütte um halb neun; nass von oben, von unten und von innen. In der Hütte waren schon 9 Wanderer, die mich erwarteten. Das Paar aus Österreich war schon da; die müssen mich überholt haben als ich versehentlich einen Umweg zum Wasserfall machte. Freiwillig hätte ich diesen Abstecher nicht gemacht. Hat sich aber trotzdem gelohnt. Das Paar aus Österreich ist übrigens super Fit. Die sind heute 30km gewandert, also das, was ich gestern und heute gemacht habe.

 

 

 

Zweite Etappe – Teil 2 / 3

16 Dez. Upper Travers Hut to Blue Lake Hut. 15 km, 9,5 Stunden (Vorgabe 8-11).

Endlich gutes Wetter. Um 8.30 bin ich startklar. Die ersten 5,5 Stunden lief ich zusammen mit einem sympathischen Kiwi (Devon, 49, aus Wellington). Dieser Teil der Strecke war sehr fotogen und führte über den 1700m hohen Travers Saddle. Dort oben stürmte es heftig und es war eiskalt (Windchill Factor minus 10 Grad). Der 1000m Abstieg war etwas mühsam, besonders unterhalb der Waldgrenze. Steil, schlammig und rutschig. Bei der West Sabine Hut trennten sich unsere Wege. Von dieser Hütte gabeln sich die Wege, in der Hütte wimmelte es von Leuten. Die meisten folgen dem round Track zurück nach St Arnaud. Mindesten 6 Wanderer wollen aber dem Te Araora folgen und morgen über den 1880m Waiau Pass. Bin froh, dass ich nicht alleine bin, von der morgigen Strecke hört man Horrorstories. Z.B. dass der Fluss nach langem Abstieg vom Pass nicht überquert werden kann, wenn er zu viel Wasser führt.
Für die letzten 7km bis zur Blue Lake Hütte brauchte ich volle 4 Stunden (Vorgabe 3h), es ging 500 Höhenmeter bergauf und ich war am Ende meiner Kräfte. 9,5 Stunden wandern inkl. über 1000m hoch und runter mit 18 kg am Rücken war ein bisschen viel. Wurde von 4 Wanderer überholt und kam als letzter an der Blue Lake Hütte an. 12 Personen übernachten hier. 16 Betten stehen zur Verfügung.

17 Dez. Blue Lake Hut to Caroline Creek Bivvy. 12 km über den 1880m hohen Waiau Pass. 10 Stunden (Vorgabe 9-11).
Endlich sonnig und heiss. Um 8 verliess ich die Hütte – allerdings als letzter der 6 Te Araora Wanderer. Ich war noch nicht richtig erholt vom gestrigen Tag und kam nur langsam voran. Beim steilen Aufstieg zum Pass musste ich alle 100 Höhenmeter eine Pause einlegen. Auch detr Abstieg war extrem Steil. Unten im Tal musste ich drei mal reissende Flüsse überqueren. Jedesmal geeignete Stelle finden, Schuhe aus, durch reissenden Fluss waten, Füsse trocknen und Schuhe wieder an kostet jedesmal eine Viertelstunde. Beim dritten Mal, wenige hundert Meter vor der Caroline Creek Hütte, verletzte mich ein von der Böschung fallender Stein am Fuss. Die Hütte (Mini, nur zwei Betten) war schon besetzt. Zwei Kiwis schliefen darin. Zwei Brüder, Jäger, wie sich herausstellte. So musste ich wieder mein Zelt aufstellen. Ich fand noch Käse im Rucksack, den verkochte ich mit Hörnli und beim Essen gesellte ich mich zu den Jägern. Sandflies schauten bei all dem zu. Musste dick Insect repellent auftragen. Die zwei Jäger gingen auf Pirsch und ich ins Bett. Das war der zweite sehr anstrengende Tag hintereinander.

18 Dez. Caroline Creek Bivvy to Anne Hut. 28 km; 10,5 Stunden (Vorgabe 7-9).
Es klingt als ob regen aufs Zelt prasselt. Aber es sind nur Sandflies, die mich angreifen. Zum Glück ist das Zelt Sandflies-Dicht. Die zwei Jäger schlafen noch, so packe ich meine Sachen, und ohne Kaffee und dem üblichen Porrige (den ich eh bald nicht mehr riechen kann) zieh ich schon vor 8 Uhr los. Der Weg war äusserst anspruchsvoll. Schlecht markiert und mit vielen Wasserläufen, die derzeit sehr viel Wasser führen. 9x musste ich Schuhe ausziehen und teilweise durch knietiefe reissende und eiskalte Flüsse waten. Das Wetter wurde zunehmend schlecht. Heftige Winde und Regen setzten ein. Heute geht bestimmt niemand über den Waiau Pass. Auf den ganzen 28 km traf ich absolut niemand. Nur Enten und Hasen begegneten mir. Etwa 6 km vor dem Ziel ein harmlos aussehender Bach. Ein kräftiger Sprung auf die andere Seite – aber was aussah wie Gras war nur Dekor, darunter immer noch Bach. Mit triefend nassen Schuhen laufe ich bis zum Ziel.
Die Anne Hütte war halbvoll mit einer 6er Gruppe und 4 von den 6 Te Araora Wanderern, die ich schon in der Blue Lake Hütte kennenlernte (Rainer und Mechthild aus Österreich – sie wird heute 55). Daneben noch der Holländer und seine Begleiterin aus Kalifornien. Ich war überrascht, die vier hier anzutreffen, sie sind alle so unglaublich fit und hätten locker weiterlaufen können. Aber das Wetter hat sie zum pausieren gebracht.

 

 

zweite Etappe – Teil 3/3

19 Dez. Anne Hut to Boyle Flat Hut – 16km – 6 Studen (genau der Vorgabe entsprechend). Wetter: abwechselnd Regen und Sonne, begleitet von heftigen Sturmböen.
Nachts hat es orkanartig gestürmt. Ich denke den jungen Franzosen aus Lyon, der konsequent im Zelt übernachtet, weil er das Geld für den Hüttenpass sparen will. Obwohl er eher schmächtig wirkt, muss er topfit sein: er ist an einem Tag über den Waiau Pass bis zur Anne Hütte gewandert – 42 km (sehe ich am Hüttenbuch). Er hat also an einem Tag das geschafft, was mich an zwei Tagen zur Erschöpfung gebracht hat.
Habe schlecht geschlafen. Irgend welche Biester (Sandflies?) haben meine Waden zerstochen und es beisst höllisch.
Ich verlasse die Anne Hütte als letzter. Zu meinem Erschrecken sind meine Wanderschuhe immer noch triefend nass. Niemand hatte gestern Feuer gemacht und die Wärme der Hütte reichte nicht aus, um sie über die Nacht zu trocknen. Trotz drei paar (trockenen) Socken fühlt sich das gehen nass und kalt an. So wandere ich die 16 km mit pflotschnassen Schuhen. Weiss gar nicht, warum ich den Bächen und Sümpfen noch ausweiche – wahrscheinlich aus Gewohnheit. Aber es käme wirklich nicht mehr darauf an. Schon um drei bin ich an der Boyle Flat Hut, und bin froh nicht noch die 14 km bis Boyle Village laufen zu müssen. Meine 6 TA-Begleiter von der Blue Lake Hütte sind längst weitergezogen – es scheint, unter den TA-Wanderer bin ich mit Abstand der unfiteste. In der Boyle Flat Hut sind 10 Leute, darunter aber keine TA-Wanderer. Die Kartenspieler darunter sind dagegen, dass ich Feuer mache (es sei warm genug und man könne wegen der Sandflies nicht lüften – so ein Quatsch, es hat sehr wohl ein Fenster mit Fliegengitter). Überhaupt sind mir die Leite hier nicht sympathisch – jetzt umso mehr, weil sie kein Verständnis für mein Hauptleiden (sprich nasse Schuhe) haben.

20 Dez. Boyle Flat Hut to Boyle Village. 14 km, 4,5 Stunden (der Vorgabe entsprechend).
Ein Handy klingelt und hört nicht auf. Es nervt so sehr, dass ich in fremde Taschen greife und es ausschalte. Aber es klingelt weiter. Das geht ein Weilchen so bis ich aufwache. Das Klingeln stammt von Vögel, die zwischen Morgendämmerung und Sonnenaufgang ihren Dreiklang üben. So ein Vogelgesang habe ich noch nie gehört. Draussen ist es frostig, aber strahlendblauer Himmel. Für einmal bin ich nicht der letzte, der die Hütte verlässt. Die Kalifornierin (auch eine, die immer im Zelt schläft) ist Langschläferin. Ihr Kiwi – Begleiter nervt sich schon. Schuhe sind natürlich immer noch nass, aber noch schlimmer sind die Sandfly-bites (die ich mir offenbar am Lagerfeuer mit den zwei Jägern vor zwei Tagen geholt habe), die höllisch Jucken. Die Wanderung durch das liebliche Boyle-Tal bei diesem Wetter ist trotzdem herrlich. Zum ersten Mal überhaupt überhole ich jemanden: Die Brendon-Familie aus Christchurc (Tochter 15, Sohn 13), die eine halbe Stunde vor mir aufgebrochen ist, habe ich schon nach einer Stunde eingeholt. Diese Familie wird später mein Glücksfall: in Boyle Village, meinem heutigen Ziel, wo es nichts gibt als einem Outdoor Education Center, stehe ich 1,5 Stunden an der Strasse mit dem Daumen draussen. 150 Autos habe ich gezählt, keiner hat angehalten (dafür sind am heissen Strassenrand meine Schuhe trocken geworden!). Dann kommt die Brendon-Familie an – und siehe da, sie haben ihr Auto hier parkiert! Sie laden mich ein, mit nach Hanmer Springs zu fahren, was auch ihr Ziel ist.
Der andere junge Tramper, mit dem ich anderthalb Stunden an der Strasse stand, steht wohl jetzt noch dort. Ich hab dir Brendon’s nämlich nur gesehen, weil ich Wasser holen ging.

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Diesen letzten Tagesbericht schreibe ich bei einem Bier in Hanmer Springs, einem angenehmen Touristenort mit heissen Quellen. Am Tisch nebenan sitzen die unsympathischen Kartenspieler von der Boyle Flat Hütte, die mich kein Feuer machen liessen. Warum ausgerechnet die? Habe hier in Hanmer Springs drei Nächte gebucht. Ich brauch Erholung von den Strapazen und muss meine diversen Blessuren kurieren. Noch nie hatte ich mich so auf eine Apotheke gefreut: das Sandflybissantijuckmittel wirkte sofort. Endlich duschen, richtiges Essen, Handyempfang, lesen was auf der Welt passiert ist … Der Te Araora kann warten.
PS: kaum hatte ich diesen letzten Satz geschrieben gab’s ein Erdbeben. Ich fast in Panik – aber die Leute um mich herum blieben völlig cool.

 

 

1. Etappe von Pelorus Bridge nach St Arnaud geschafft. Viel schwieriger als erwartet!

Mit 18 kg auf dem Rücken kommt man nicht so schnell voran. Etwas tut immer weh (derzeit ist es der Daumen, den ich bei einem Sturz verletzt hatte), so brauche ich häufige Pausen. Dann fing es schon am zweiten Tag an heftig zu regnen. Ich blieb in der Captain‘ Creek hut blockiert, mutterseelenallein mit meinem Sudoku und ein paar Duzend Sandflys, die ebenfalls Schütz vor dem Regen suchten.

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Captain’s Creek hut

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Ich realisierte, dass bei dem Tempo meine Vorräte niemals bis St Arnaud reichen würden. Es war wohl verrückt anzunehmen, dass ich pro Tag 25Km schaffen würde. Das Gelände ist zeitweise schwierig, und mit solchen Regen-Zwangspausen habe ich auch nicht gerechnet. Zum Glück gab es nach 3 Tagen einen Weg runter zu einer Strasse, von wo mich drei junge Kiwis auf einer Jeep-Plauschfahrt nach Nelson zurück brachten. Nach dem auffüllen der Vorräte und einer Nacht im trockenen Hotel ging es zurück zum Te Araora Trail. Die 5 Nächte auf dem Weg nach St Arnaud schlief ich immer in Hütten (wozu schleppe ich eigentlich ein 3kg – Zelt herum?) Hütten hier sind nicht zu vergleichen mit dem Luxus von SAC Hütten. Sie sind alle sehr klein und bestehen meist aus 6 Betten und einem Holzofen, sonst gibt es rein gar nichts. Meistens war ich allein; nur einmal traf ich auf ein paar ältere Kiwis aus Nelson, unter anderen Peter, der den ganzen Te Araora gemacht hat. Seine Erzählungen machten mir Angst vor meinem Vorhaben. So war das erste, was ich hier in St Arnaud kaufte, ein PLB (personal locator beacon, ein Sateliten-Notrufgerät). War sündhaft teuer (525 Dollar), dafür ist dann die Helikopter-Rettung free of charge😊. Aber dieses Gerät ist notwendig hier, vor allem wenn man alleine unterwegs ist. Mobil-Empfang gibt es unterwegs nirgends, und es sind viel weniger Trecker unterwegs als ich erwartet hatte. Gemäss Hüttenbücher sind es nur zwischen null und drei pro Tag! Die nächste Etappe ist die schwierigste des gesamten Te Araora. Es geht über den 1900m hohen Waiau Pass. Ca. 7 Tage werde ich in der Wildnis sein, dann auf eine Strasse stossen ( Hauptstrasse von Westport nach Christchurch) von wo mich hoffentlich ein Auto nach Hanmer Springs bringt. Dort werde ich wieder mal duschen und Vorräte auffüllen. Mehr als für 8 Tage Proviant tragen ist sowieso unmöglich. Darum wird diese Pause kurz vor Weinachten notwendig sein.